Über Team-Feeling, Kickertische und Ortsunabhängigkeit

Je länger man Teil eines Remote-Teams wird, desto leichter wird es, zu vergessen, wie es davor eigentlich war. Vermisst man da den Kickertisch in der Ortsunabhängigkeit? In diesem Artikel beantworten wir die Frage, ob man die Annehmlichkeiten von „damals im Büro“ überhaupt noch im Kopf hat. Damals, als man noch morgens aufstehen und ins Büro musste. Als man noch im Stau steckte oder sich in überfüllten Straßenbahnen drängte. Damals. Selbst wenn “damals” ein Zeitintervall beschreibt, dass sich über Jahre oder Jahrzehnte erstreckt hat. Man vergisst und verlernt das. 

Den eigenen Remote-Alltag dann von Null aus zu gestalten ist ein wunderbarer Prozess, doch er braucht einiges an geistigen Ressourcen, weil einem Stück für Stück auch klar wird, wie verfahren man in den alten Denk- und Arbeitsstrukturen ist.

Alles auf neu in der Ortsunabhängigkeit

Oft beginnt man instinktiv die Arbeit vielleicht am heimischen Schreibtisch. Oder überhaupt bleibt man aus einem Gefühl der Verpflichtung und Verunsicherung erst mal stationär Zuhause. Das richtige Remote-Gefühl entwickelt sich erst mit der Zeit, wenn man diese große Veränderung geistig verarbeitet hat. Dann wird einem klar, dass man die meisten altmodischen Grenzen ab sofort selbst setzt.

Das kann ein paar Wochen dauern. Vielleicht sogar ein paar Monate.
Natürlich ist uns bewusst, dass wir in Punkto Alltagsgestaltung noch zu den Paradiesvögeln des Arbeitsmarktes gehören. Viele Menschen können sich gar nicht vorstellen, was wir eigentlich machen, oder wie genau das eigentlich so aussieht. Ironischerweise ist die Antwort darauf nach einer Weile denkbar langweilig: Wir machen dasselbe wie alle anderen auch, nur eben woanders. Unser Arbeitsumfeld wurde eben auf Flexibilität ausgerichtet. 

„Vermisst ihr nicht den Kickertisch in der Mittagspause?“

Diese Frage hat uns eiskalt erwischt. Denn bei den vielen Fragen nach Machbarkeit und “Wie macht ihr x, y, z?” denkt in unserem Team niemand mehr an die Kleinigkeiten, die uns  “damals” den Büro-Alltag versüßt haben.

Wieso eigentlich nicht?

Naja. Ich denke, dass bei den vielen Vorteilen und Entscheidungsmöglichkeiten, eben auch der beste Kicker-Tisch in Vergessenheit gerät. Irgendwie ist eben alles anders, wenn die Arbeit nicht mehr an einen gemeinsamen Ort zentralisiert wird. 

Aber wenden wir uns doch der eigentlichen Frage hinter dem Kickertisch zu:
Wie funktioniert das denn mit diesen sozialen Aktivitäten, wenn man keinen physischen Ort mehr hat, an dem man zusammenkommt? Ist man in der Ortsunabhängigkeit nicht ziemlich isoliert?

Zuerst einmal sollten wir mit einem Klischee aufräumen, das sich nach wie vor hartnäckig über das ortsunäbhängige Arbeiten hält: allein im stillen Kämmerlein sitzen. So ist das nicht. Zumindest bei uns nicht. Vielleicht mag das bei den Selbstständigen und Freelancern in der Ortsunabhängigkeit etwas mehr zutreffen. Bei uns ist es eher das Gegenteil.

Kommunikativer Alltag in der Ortsunabhängigkeit

Wir kommunizieren sehr viel miteinander und wenn man sich unsere Kalender anschaut, gibt es darin täglich auch interne Meetings zwischen Kollegen. Es ergeben sich mehrmals die Woche außerdem Zoom-Camps in einem unserer Channel.

Will heißen: Mehrere Team-Mitglieder bleiben im Videocall. Für gewöhnlich stellt man sich selbst auf stumm. Der eine hört Musik macht die Verwaltung, der nächste schneidet ein Video, wieder jemand anders telefoniert. Wie wenn alle im Büro konzentriert vor sich hinarbeiten.

Im Grunde sind die Zoom-Channels unsere neuen Büros. Wir wissen, wann sich jemand einen Kaffee holt, oder etwas isst. Manchmal wird man auch auf einem iPad o.Ä. mit zum Kochen genommen, oder ist dabei, wenn einer der Kollegen die Wäsche aufhängt. Das ist auch irgendwann nicht mehr komisch. Wieso soll man nicht beim Wäsche aufhängen über Marketing-Strategien reden können?

Wie gesagt, es ist einfach alles auf Flexibilität getrimmt. Und da man so extrem nah an der Privatperson dran ist, bräuchte es oft keine zusätzlichen sozialen Aktivitäten mehr. Team-Feeling kommt, wenn man miteinander spricht und miteinander arbeitet. In so mancher Hinsicht sind wir uns in der Ortsunabhängigkeit näher als den ehemaligen Kollegen in den Büros.

Virtuelle Maßnahmen für positives Team-Feeling

Wir haben trotzdem noch mehr auf Lager als ortsunabhängiges Team; jeden Tag zur selben Uhrzeit gibt es ein gemeinsames Meeting, unsere “Kaffeepause”. Normalerweise sehen wir also unsere Kollegen mindestens einmal pro Tag. In dieser halben Stunde Kaffeepause quatscht man eben einfach. Zum Beispiel darüber, ob eigentlich irgendwer den Kickertisch vermisst. 

Auch nach der Arbeit haben wir gerne noch miteinander zu tun – wir teilen Rezepte und Erdnussbutter-Kakao-Sojamilch-Phasen, motivieren uns zu zu Fitness-Challenges oder schauen gemeinsam nerdige Live Streams, wenn es endlich ein Bild eines schwarzen Lochs gibt. Wir machen Termine zum Skypen aus. Oder telefonieren. 

Physische Treffen

Und dann gibt es außerdem noch Team-Meetings, an denen sich alle physisch treffen. Team-Meetings sind durchaus business-lastig, schließlich haben auch wir eine Roadmap. Wir müssen zu bestimmten Dingen einen Konsens finden, uns auf Strategien einigen, etc.

Fairerweise muss man sagen, dass es wirklich einen Unterschied macht, wenn man seine Kollegen auch mal in echt vor sich hat. Und es ist schöner, wenn man die Kollegen nicht immer nur von Kopf bis Brustkorb sieht, sondern in natura komplett vor sich hat. Man lernt die Körpersprache kennen und nimmt am Gegenüber Facetten wahr, die man vorher nicht kannte. 

Wir haben uns außerdem während unseres letzten Teammeetings entschieden, ein Team-Coaching zu machen. Das mag in kreativen Bereichen nicht so verbreitet sein und hat auch nichts mit Erlebnispädagogik zu tun, in der ein Team-Gefühl erst mal grundlegend geschaffen werden soll. Das machen wir auch so. 

Dieses Team-Meeting ähnelt eher dem, was man in sozialen Bereichen wohl als Supervision bezeichnen würde. Momentan arbeiten wir mit unserem Coach Sven daran, eine gemeinsame Vision zu entwickeln, Werte und Ideen festzuhalten, die uns motivieren und daraus einen gemeinsamen motivierenden Treiber zu stricken. 
Auch Konflikte und unterschiedliche Ansichten möchten wir dort beleuchten und auflösen.


Und wie cool ist es denn, sich mit den Kollegen an einem tollen Ort verabreden zu können, und vielleicht in Südfrankreich ein Haus zu beziehen und dort tagsüber an einem Projekt zu arbeiten – abends kann man dann den Feierabend teilen. Und dann gehen alle wieder ihrer Wege, so wie sie es eben am liebsten mögen.

Die kleinen, aber feinen Unterschiede zum Bürojob

Der Unterschied ist vielleicht, dass wir unsere Remote-Kollegen trotz physischer Distanz ungewöhnlich nah bei uns haben. Ich weiß nicht von der Mehrheit meiner früheren Kollegen, wann der Postbote klingelt, oder was für ein Bild über dem Sofa hängt. Wir haben sie jeden Tag in unseren Wohnzimmern dabei, wir kochen mit ihnen. Am selben Tag sind wir mit Menschen an unterschiedlichen Orten der Erde verbunden und es ist eine große Bereicherung, wenn es so unterschiedliche Blickwinkel, Erfahrungen und Geschichten gibt. 
Wer denkt da noch an einen Kickertisch?