Langfristig fokussierter arbeiten – Eine Absage an’s Zeitmanagement

Beim Arbeiten einen konstanten Fokus zu behalten ist gar nicht so einfach. Solange es keine dringenden Deadlines oder Leistungsdruck gibt, ist es auch kein Problem, die eigenen Aufgaben einfach irgendwie abzuarbeiten. Doch manchmal muss der Output quantitativ und qualitativ überzeugen – und zwar in einem sportlichen Zeitraum.

Wir verraten euch, wie ihr es schaffen könnt, trotz Leistungsdruck und wechselnden Voraussetzungen, langfristig besser bei der Sache zu bleiben.
Das ist ein ziemlich großer Claim, ja. In wie fern sind wir dazu überhaupt qualifiziert?
Ganz einfach: Als Remote-Team funktioniert man nur, wenn jedes Teammitglied über eine gehörige Portion Eigenverantwortung verfügt, und man sogar dann aus eigenem Antrieb dranbleibt, wenn niemand da ist, der einen ständig reglementiert, steuert und der immer Aufgaben verteilt. Als Remote-Worker ist man in der Lage, das Setting jeden Tag selbst zu kreieren, aber man ist auch für Tag für Tag alleine mit seinem inneren Schweinehund und muss diesen Kampf irgendwie gewinnen.

Fokus ist nicht planbar, oder doch?

Es ist sicherlich richtig, dass man Fokus nicht per Knopfdruck an- oder ausschalten kann, und mit gutem Willen alleine kommt man nicht weit. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie sehr ich vor der Ortsunabhängigkeit damit zu kämpfen hatte, wenn im Büro meine Konzentration einfach nicht so wollte wie ich – weil der Geräuschpegel mich irritierte, oder es zu kalt, zu warm, zu hell oder zu dunkel war. Müde, Hunger, schlechte Laune, ganz egal. Wie es eben so schön heißt, „irgendwas ist immer.“. 

Aber reden wir Klartext, denn natürlich bin ich immer noch müde, hungrig, manchmal schlecht gelaunt, und so weiter. Trotzdem habe ich mit der ortsunabhängigen Arbeit sehr viel über meinen eigenen authentischen Rhythmus gelernt: Je öfter man die äußeren Arbeitsbedingungen wechselt, desto mehr wird man sich der Tatsache bewusst, dass Fokus vor allen Dingen dann gelingt, wenn man die eigenen Bedürfnisse versteht.
Vor drei Jahren habe ich hart darum gekämpft, zumindest die monatliche Buchhaltung im Home Office machen zu können, weil ich mich unmöglich konzentrieren konnte. Heute arbeite ich auch dann konzentriert, wenn meine Freunde am selben Tisch sitzen und gerade quatschen. 
Ich habe noch nie ein Seminar zum Thema Zeitmanagement besucht und denke auch nicht, dass man das muss. Oder dass das besonders sinnvoll ist. 

Okay, dann wollen wir mal:


Lektion 1: Schaffe dir die richtigen Bedingungen

Jeder Mensch benötigt etwas anderes, um so richtig in den Flow zu kommen. Vielleicht ist es absolute Ruhe, vielleicht brauchst du Kopfhörer und deine Lieblingsmusik auf maximaler Lautstärke. Vielleicht kannst du auch besonders gut abschalten, wenn um dich viel los ist. Merk dir Situationen, in denen du besonders fokussiert bist und in denen die Zeit einfach fliegt und such die gemeinsamen Nenner – hast du vorher die ganze Wohnung geputzt? Ist dein Schreibtisch zur Abwechslung mal aufgeräumt? Warst du einfach nur besonders ausgeschlafen? Hast du Grüntee statt Kaffee getrunken? Ganz egal, merk dir diese Dinge unbedingt. Mit der Zeit wirst du ein paar fixe Zutaten finden, mit denen du deinen Arbeitsfokus immer zielgerichteter abrufen kannst.

 


Lektion 2: Mach es deiner inneren Uhr recht

Mittlerweile weiß man ja zum Glück, dass Frühaufsteher und Spätaufsteher sich tatsächlich in ihrer Hirnstruktur unterscheiden und ihre besten Leistungen zu ganz unterschiedlichen Uhrzeiten abrufen können (lies diesen Artikel, wenn du darüber mehr wissen möchtest!). 
Dieser eine Kollege, der jeden Morgen so ansprechbar ist wie ein Zombie, ist also vielleicht keine Trantüte, sondern bis in die Neuronen anders „verkabelt“ als ihr. Respect the owl!
Natürlich ist es nur für wenige Menschen realistisch, die Arbeitszeit mal eben komplett an die innere Uhr anzupassen – insbesondere wenn diese Zeiten nicht zu dem passen, wie man für Chefs, Kollegen oder Kunden erreichbar sein muss. Das kommt den Lerchen unter uns leider eher entgegen als den Nachteulen (schnief!). 
Trotzdem ist es sinnvoll zu beobachten, zu welchen Tages- oder Nachtzeiten das Gehirn von ganz alleine seine kreativen Schübe bekommt. Ist man eher eine Nachteule, ist es eben einfach nicht sinnvoll, sich früh morgens diejenigen Tagesaufgaben aufzuzwingen, die viel Konzentration, Sorgfalt und/oder Kreativität benötigen. Das führt zwangsläufig zu einer Überfrachtung des schlaftrunkenen Gehirns, was weder in Punkto Qualität, noch in Punkto Effizienz besonders viel Sinn ergibt. 

Lektion 3: Wieso machst du das eigentlich?

Diese Frage sollte man nicht unterschätzen, egal wie flapsig sie vielleicht erst einmal klingt. Es gibt Menschen, die überhaupt kein Problem damit haben, ihre Aufgaben einfach zielstrebig zu erledigen, eine nach der anderen.In diesem Fall wird man der Sinnfrage keine große Bedeutung beimessen. Ist man jedoch der Typ Mensch, der ohne den tieferen Sinn keine Leistung bringen kann, oder ständig genervt ist und hadert, dann sollte man sich unbedingt klar machen, in welchem Kontext die eigenen Aufgaben stehen. Es hilft, sich anfangs etwas Zeit nehmen, um sich selbst zu erklären, weshalb diese Aufgabe wichtig ist und die volle Aufmerksamkeit verdient. Selbst wenn das eine halbe Stunde dauert – hat man die Sinnfrage für sich selbst geklärt, holt man diese Zeit nämlich zielstrebiger wieder. Übrigens ist diese halbe Stunde keine vergeudete Zeit, sie gehört zur Vorbereitung. 

Besonders wichtig wird die Sinnfrage immer dann, wenn eine Aufgabe keinen Spaß macht und/ oder man dazu neigt, viele Aufgaben gleichzeitig zu erledigen und sich zu zerstreuen.

Lektion 4: Alles eine Frage der Prioritäten

Wer beim Arbeiten keine Prioritäten setzt, kann nur schwerlich irgendwelche Ziele erreichen – zumindest nicht, solange der Zeithorizont dafür begrenzt wird. Man priorisiert, um sich Zeit und Nerven zu sparen. 
Hat man einmal eine Priorisierung definiert und hält sich auch daran (sonst hilft alles nichts) sinkt das Risiko, das eigentliche Ziel aus den Augen zu verlieren. Hat man keinen Überblick mehr, schlägt das gerne in Zeitdruck um, weil man ein bisschen hier und ein bisschen da irgendwelches Zeug erledigt oder es geht mit Motivationsverlust einher. Die meisten Leute finden es nicht so besonders erfüllend, sich ohne Sinn und Verstand von einer Aufgabe zur nächsten zu hangeln. Das muss man aber auch nicht.

Lektion 5: Struktur

Dieser Punkt hängt eng mit den Prioritäten zusammen. 
Struktur ergibt sich in der Regel aus den gesetzten Prioritäten, aber sie kann vielleicht auch durch die Aufgaben entstehen, die man auf den Schreibtisch delegiert bekommt. 
Mit grundlegenden Rahmenbedingungen geht man allerdings deutlich leichter durch die Woche. 

Was sind tägliche Routineaufgaben?
Wann beginnt der Arbeitstag? 
Um wie viel Uhr beendet man ihn?
Was muss bis dahin erledigt sein?

Ersichtlich werden die eigenen Strukturen beispielsweise, wenn man einen Wochenkalender führt (digital oder auf Papier), denn man hat die ganze Woche im Blick und kann visuell erkennen, wo es vielleicht noch ungenutzte Potenziale gibt. Solange man das nur erahnt und von der emotional empfundenen Auslastung abhängig macht, hat man keine besonders akkuraten Werte, aus denen man brauchbare Schlüsse ziehen kann. 

Lektion 6: Zeitmanagement

Schweifen wir an dieser Stelle doch mal in eine kurze, meinetwegen etwas polemische Grundsatzdebatte darüber ab, dass der vorherrschende Umgang mit der Ressource „Zeit“ überhaupt nicht damit vereinbar ist, wie Menschen eigentlich ticken und dass jeder Versuch, menschlichen Output immer noch effizienter zu gestalten, eine totale Verkennung unserer Natur ist.

Übrigens, liebe Zeitmanager und Motivationscoaches:

Für viele Menschen, insbesondere wenn sie angestellt arbeiten, ist ein höherer Output, respektive eine schnellere Zielerreichung, null erstrebenswert. Ich wiederhole: Null erstebenswert. 
Ich lehne mich jetzt mal aus dem Fenster und behaupte, dass die Vielzahl aller arbeitgebergestützten Zeitmanagement-Seminare eine hundertprozentige Verschwendung der begrenzten Ressourcen Geld und Zeit sind. Wieso? Weil man man für höhere Effizienz und höhere Effektivität nicht belohnt, sondern in aller Regel eher bestraft wird. Oder zumindest ist man selber Schuld, wenn man schneller als notwendig Ergebnisse liefert.
Eine Belohnung für besonders schnelle Erledigung der Arbeit wäre beispielsweise:

„Wow, du bist schon nach 4 Stunden fertig, obwohl heute 7 Stunden einkalkuliert waren. Wenn du sonst heute nichts mehr auf dem Plan hast, solltest du jetzt einfach den Nachmittag genießen, wir sehen uns morgen wieder!“ 

So etwas liefert jedem Mensch einen Anreiz, gute Arbeit zu machen und diese auch schnell vom Tisch zu kriegen, dauerhaft. Mit dieser Aussicht wird jeder Mensch ein Interesse daran entwickeln, fokussiert zu arbeiten und es dementsprechend auch einfach lernen. In der Praxis beschert einem schnelles, gutes Arbeiten aber eher eine Reaktion, die ungefähr so aussieht: 

„Wow, du bist schon nach 4 Stunden fertig, obwohl 7 Stunden einkalkuliert waren. Na dann kannst du ja auch gleich auch noch xy erledigen.“

Möglicherweise langweilt man sich auch einfach nur in Grund und Boden, wenn man schneller fertig wird, weil es sonst einfach nichts zu tun gibt und man ja trotzdem erst zu einer bestimmten Uhrzeit nach Hause gehen kann. Liebe Arbeitgeber, bevor ihr also Maßnahme um Maßnahme auf eure Mitarbeiter regnen lasst, solltet ihr euch zwischen Tür und Angel die Frage stellen, ob es nicht Zeit ist, unsere altbackenen Arbeitsstrukturen für neue sinnvolle Leitlinien und Messgrößenabzulösen. Mitarbeiter werden schließlich per Vertrag nach Stunden bezahlt und nicht nach Output, Effizienz, etc. Das ist eben genau genommen keine sehr clevere Messgrundlage, obgleich sie natürlich simpel quantifizierbar ist. In aller Regel erhöht man Motivation bei erwachsenen Menschen, indem man echte Anreize verschafft und nicht, indem man sie mit Sachinformationen überschüttet, die für diese Menschen (leider, leider) in der Praxis gar keine Relevanz haben.

Apropos Relevanz: 
Wie dem auch sei, Fakt ist, dass es eben manchmal nicht anders geht, aus welchem Grund auch immer. Die Zeit ist knapp und man muss ranklotzen und einen ganzen Berg Arbeit bewältigen, den man ohne System einfach nicht schaffen kann. In diesem Fall gibt es zum Glück mittlerweile mehr als genug Ratgeber, Techniken, Methoden und Managementkonzepte, derer man sich bei Bedarf bedienen kann. Ein Rundumschlag würde hier natürlich den Rahmen sprengen, also beschränken wir uns auf diejenigen Punkte, die besonders alltagsfreundlich sind:

6.1 Die Pomodoro-Technik

Das ist eine ganz simple Sache, die auch jeder ausprobieren kann: auf 25 Minuten konzentriertes Arbeiten folgen 5 Minuten Pause. Jedes vierte Mal folgt eine längere Pause. Es gibt Leute, die darauf schwören, dass Arbeitsintervalle für sie Wunder wirken und Leute, die vehement widersprechen und betonen, dass sie auf keinen Fall aus der Konzentration gerissen werden wollen, wenn sie denn mal fokussiert sind. 
Auch da hilft nur ausprobieren! Und zwar am besten natürlich nicht erst, wenn die Hütte bereits brennt und du schon eine einstudierte Fokus-Technik bräuchtest.

6.2 Eat the frog

Ich für meinen Teil bin ein großer Fan von „Eat the frog“. Zum Glück ist es nicht notwendig, wirklich Amphibien zu essen – der Frosch ist ein Symbol für diejenige Aufgabe des Tages, auf die man am wenigsten Lust hat, weil sie besonders aufwändig, unangenehm oder schwer ist. Statt sich konsequent vor etwas zu drücken, das man nicht machen will, stellt man sich dem so schnell wie möglich. Im Anschluss kann man erleichtert an die restlichen Aufgaben gehen. Dass das ein sehr wirkungsvoller Ansatz ist, wissen die meisten Menschen intuitiv. Schon allein, weil es sich ganz furchtbar anfühlt, wenn man tagelang irgendwelche Aufgaben vor sich herschiebt und sich auch noch die Freizeit vermiest, da einen das schlechte Gewissen plagt. Wenn der Frosch besonders groß ist, sollte man nochmal nach oben zum Punkt „Wieso mache ich das eigentlich?“ scrollen.

6.3 Zeitfresser identifizieren

Sich der eigenen Zeitfresser bewusst zu werden ist einerseits simpel zu verstehen. Die Umsetzung ist allerdings etwas komplexer, denn dazu muss man die eigenen Prozesse analysieren und herausfiltern, an welchen Stellen man jeden Tag unnötig Zeit verliert.

Du starrst nach dem Aufstehen 30 Minuten in den ersten Kaffee, während das Gehirn hochfährt, stehst jeden Tag im Berufsverkehr, checkst ständig deinen Social Media-Feed, hast wöchentlich ewige Meetings ohne konkrete Ergebnisse, das Telefon klingelt die ganze Zeit, und so weiter. Wertet man die eigenen Zeitfresser wirklich aus, gibt es natürlich ein großes Potenzial, nicht nur im Arbeitskontext aufzuräumen. Du kannst auch im Privatleben mit dem Rotstift über nervige Aspekte zu gehen und dich anders zu organisieren. Tatsächlich geht es oft nicht so sehr darum, Verhaltensweisen und Gewohnheiten komplett fallen zu lassen, sondern sich so zu organisieren, dass größere Zeitblöcke entstehen, in denen man tun kann, was man wirklich möchte. Zum Beispiel auf der Couch liegen und Netflix schauen.

6.4 Der Klassiker, To Do-Listen

Muss man das überhaupt noch erwähnen? Spätestens seit WunderList kann man über alles Listen führen. Hilft, nicht die Hälfte der Aufgaben zu vergessen, wenn man etwas nicht schafft. Und schafft Überblick! Funktioniert auch asynchron für Teams. 

Lektion 7: Lass dich nicht stören

Bei diesem Punkt müssen sich wohl die meisten Menschen schuldbewusst an die eigene Nase fassen. Normalerweise hat man ja intuitiv zumindest Ideen, an was es denn liegt, dass man sich nicht konzentrieren kann. 
Wir sind aber gerne gehemmt, wenn es darum geht, Zeit für uns selbst oder mit uns selbst zu beanspruchen. Kein Wunder, denn es ist mittlerweile normal, immer auf einem oder mehreren Kanälen erreichbar zu sein ist. Will man nicht konstant aus der Arbeit gerissen werden, sollte man aber genau das vermeiden. Bespricht man sich mit einem Kunden, muss die Frage des Kollegen schließlich auch warten. Der eigene Arbeitsfokus ist genauso wichtig und man sollte ihn genauso ernst nehmen, aber leider wird ungeteilter Arbeitsfokus in der innerlichen Priorisierung der ständigen Erreichbarkeit untergeordnet. Und dann hat man den Salat fast zwangsläufig.

Wie kann man das lösen?
Es hilft, nach außen klar zu machen, dass man gerade nicht erreichbar ist und bis Zeitpunkt x nicht gestört werden will. Ob man die Tür vom Büro zu macht, das Telefon stumm schaltet, oder wie wir einen entsprechenden Status in Slack hinterlegt, ist egal, denn das Prinzip ist dasselbe: Jetzt nicht, ich arbeite gerade.

Fazit:

Natürlich gibt es zig Fokussierungstechniken, die man im Zuge der grenzenlosen Selbstoptimierung anwenden kann. Und stellenweise ist das total sinnvoll, denn es gibt einfach Spitzen, in denen es laufen muss. Trotzdem sollte man niemals vergessen, dass der beste Weg, um auf lange Sicht gute Leistung abzurufen, eben nicht die endlose Eigenoptimierung ist. Die hohe Kunst ist es doch, für sich gute Bedingungen und Umstände zu schaffen, in denen man sich so wohl fühlt, dass man nicht mehr konstant das eigene Gehirn überlisten muss. Macht man etwas gerne, braucht man so gut wie keine Techniken. Erkennt man die eigenen Bedürfnisse an und hat den Raum, diesen Bedürfnissen auch zu entsprechen, wird man sehr viel leichter zum Überzeugungstäter, denn man agiert nicht mehr nur unter Leistungsdruck und aus einer erzwungenen Situation heraus, die gar nicht zu einem passt.

Fehlt noch was?
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